Freitag, 26. Juli 2013

Ist die Kirche ein Gewinn - dann gewinnt die Kirche


Mit der Institution der Kirche fängt sich die Jugend (und nicht nur die Jugend) nichts mehr an. Die Kirche hat für sie ihre Glaubwürdigkeit, ihre Anziehungskraft und Lebenskraft verloren. Das ist nicht nur wegen der Missbrauchsskandale so.
Die Frage ist, wo ist die Kirche und wo sind die Menschen?
 
Die Symbolik und Körpersprache eines Papst Franziskus im Gegensatz zu seinem Vorgänger Benedikt XVI ist schon auffällig (bei aller persönlichen Wertschätzung für Benedikt XVI).
Konnte man diesem fast schon körperlich ansehen, wie viel Überwindung ihm die Begegnungen mit Menschen und die Kommunikation auf gleicher Ebene kostete, so ist auffällig, wie Franziskus die Menschen sucht und sie herzlich umarmt. Nun möchte ich nicht unfair gegenüber Benedikt XVI sein. Er war nun einmal ein sehr „kopflastiger“ Oberhirte, dem man am Besten auf intellektueller Ebene begegnete. Seinen Charakter konnte er unmöglich verleugnen. Doch dieser Kontrast zwischen diesen beiden Päpsten könnte eine gute Metapher für die Zukunft der Kirche sein.
 
Die Haltung Benedikts war meiner Beobachtung nach eine restriktive Haltung, um die wahre Glaubenslehre in stürmischen Zeiten zu bewahren. Das ist eine Haltung, die Veränderungen unmöglich macht, denn damit kommt es unweigerlich zur Polarisierung zwischen Reformern und Bewahrern (das wäre natürlich umgekehrt genauso. Helmut Schüller als Papst würde noch viel mehr polarisieren als Benedikt es je tat - um nicht zu sagen, dass er den Karren gegen die Wand fahren würde). Mit einer restriktiven Haltung  (und durch die zahlreichen Missbrauchsfälle wurde diese Haltung gezwungenermaßen verstärkt) kann die Kirche unmöglich anziehend für die Menschen sein. Jemand, der sich zurückzieht, kann unmöglich kontaktfreudig sein. Ich werfe das Papst Benedikt nicht vor. Im Gegenteil. Sich zurück zu ziehen um sich neu zu orientieren - um sich selbst neu auf Gott auszurichten -  kann kein Fehler sein. Jede Reform, die dies nicht tut - die sich nicht zuvor auf Gott konzentriert, sondern aus menschlichem Aktionismus stammt - muss scheitern. Ich bin Papst Benedikt zutiefst dankbar, dass er erkannt hat, dass er den zweiten Schritt seines Reformprogramms einen anderen machen lassen sollte. Diese Einsicht alleine ist für mich schon ein Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes.
 
Papst Franziskus hat wieder eine Mission. Er ist in diesem Sinne ein sehr gutes Symbol für die Kirche. Denn auch die Kirche hat eine Mission. Denn nur eine Kirche mit einer Mission ist für die Menschen ein sichtbares Zeichen für Gott. Eine Kirche, die sich ständig um sich selbst dreht, die sich erschöpft in den Fragen, wie man am würdigsten Gottesdienst feiert und ob man nicht zum lateinischen Ritus zurückkehren sollte, hat den Menschen nichts mehr zu sagen. Auch wenn viele Menschen lauthals schreien, dass die Kirche aus dem gesellschaftlichen Leben hinauskatapultiert gehöre (dass es so viele nicht sind, hat das Volksbegehren gegen „Kirchenprivilegien“ gezeigt) sollte die Kirche wieder auf die Menschen zugehen. Sie dort abholen, wo sie sind, ohne Angst davor zu haben, sich mit Sünde zu beschmutzen (und in diesem Sinne habe ich für so manche Forderung der Pfarrerinitiative durchaus Verständnis). Denn wie schon Jesus richtig feststellte, nicht was von außen kommt, macht uns unrein, sondern was von innen aus uns herauskommt, macht uns unrein. Nicht die Unreinheit ist ansteckend, sondern die Reinheit kann ansteckend sein. Nicht nur das Unheil ist ansteckend, sondern auch das Heil. Das reine Gewand kommt erst in der Schmutzwäsche so richtig zum Leuchten. Jesus war bei den Unwürdigen zu Hause, nicht bei den Rechtschaffenen. Das lebt uns Franziskus vor. Wir Christen - und vor allem wir Katholiken - müssen unsere Festung niederreißen, die wir uns zum Schutz gegen eine uns feindselig gesinnten Welt gebaut haben. Wir müssen damit leben, dass die Blicke misstrauisch, argwöhnisch und oft auch hasserfüllt sind (auch in diesem Blog erhalte ich immer wieder Kommentare, die von diesem Misstrauen und Hass erzählen).
Es liegt an jedem Christen selbst, zu zeigen, dass das Christsein etwas mit Lebenslust und Freude zu tun hat, dass es Sinn und Halt im Leben gibt und dass es etwas zu bieten hat, was die Welt nicht geben kann.
 
Zugegeben - auch mir fällt es im Alltag oft schwer, diese Freude zu erfassen.
Aber genau das ist der Sinn von Kirche. Niemand freut sich, wenn er alleine auf einer Party ist.
Stimmung kommt erst auf, wenn sich viele Partygäste einfinden. Leben kommt erst auf, wenn man die Freude mit anderen Gleichgesinnten teilen kann. Ein Ort des Teilens der Freude über die Tatsache, das Jesus unter uns ist, das ist Kirche. Wo das passiert, dort ist Kirche für die Menschen anziehend, sowohl im Großen (wie derzeit in Brasilien), als auch im Kleinen (vielleicht zu Hause).
Franziskus sieht die Kirche als eine Institution auf der Seite der Armen. Die Kirche als Diener der Menschheit. Nicht als moralischer Fels in der Brandung, sondern als Leuchtfeuer, welches den Menschen Zuversicht gibt. Erst wenn sich die Menschen wieder freuen, das Leuchtfeuer zu sehen, werden sie ihre Haltung aufgeben.
 
Die Kirche muss wieder Teil dieser Gesellschaft werden (wollen).
Franziskus zeigt es erstklassig vor.

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