Die Kirche braucht laut Papst Franziskus keine Manager, sondern mutige und milde Glaubenszeugen. Der Papst betonte, Bischöfe müssten zwar die Lehre bewahren, aber nicht, "um anhand von ihr zu bemessen, wie sehr die Welt abweicht von der Wahrheit, die diese Lehre enthält". Es gehe vielmehr darum, "die Welt zu bezaubern mit dem Angebot der Freiheit", die das Evangelium schenke. Die Kirche brauche "weder Apologeten ihrer eigenen Forderungen noch Kreuzfahrer ihrer eigenen Schlachten, sondern milde Sämänner, die auf die Wahrheit vertrauen".
Papst Franziskus spricht mir damit sehr aus dem Herzen und ich denke, dass das nicht nur die Bischöfe angeht, sondern jeden Katholiken, egal ob er sich zur konservativen oder zur progressiven Seite zählt.
Ich habe oft den Eindruck, dass sich so mancher Katholik in einem Kampf befindet.
Einen Verteidigungskampf um die Kirche. Man sieht sich als Kämpfer gegen die „sündige“ Verweltlichung der Kirche, bei dem es darum geht, nur ja keinen Zentimeter an Boden gegenüber den „Sündern, die den Vatikan stürmen wollen“ nach zu geben. So entstehen Ausdrücke wie „Papsttreue“, die von beiden Seiten missbraucht werden. Die einen gebrauchen es als Schimpfwort, die anderen als Religionsbekenntnis. Die einen wollen den Vatikan niederbrennen, die anderen wollen ihn mit ihrem Leben verteidigen. Bei diesem Kampf um die Wahrheit haben sowohl die einen als auch die anderen eines übersehen.
Der Papst selbst befindet sich gar nicht mehr im Vatikan. Er hat ihn verlassen und sucht die Menschen, wie es sein Meister auch tat. Sein Meister? Das war nicht Papst Benedikt, sein Vorgänger, sondern Jesus, der mit Sündern zu Tisch saß, am Sabbat Früchte aß und sich von Ehebrecherinnen küssen lies. Jesus, dass war der Mann, der keine Angst davor hatte, unrein zu werden, sondern zu den Schmutzigen ging, um sie zu reinigen. Nicht, indem er sie von Sakramenten ausschloss, sondern indem er gerade ihnen seine Gnade zuteil werden lies. Selbstverständlich hieß er ihre Sünde deswegen nicht gut. Aber seine Hingabe galt ihnen.
Wenn WIR Papsttreuen also wirklich dem Papst treu sein wollen, dann sollten wir aufhören, einen Kampf um die letzte Bastion der Wahrheit (Kirche) zu kämpfen, die die Welt scheinbar nicht mehr versteht, sondern wir sollten der Welt zeigen - wie es der Papst selbst tut - dass die Wahrheit, die in der Kirche verborgen liegt, heil und frei macht.
Wenn wir uns (als Katholiken) in Grabenkämpfe um die Wahrheit pro oder gegen die „Papsttreue“ verstricken, befinden wir uns in einem Rückzugsgefecht oder einem Vernichtungsfeldzug. Stattdessen sollten wir aber vorwärts gehen. Wir sollten (wie Papst Franziskus) auf die Menschen zugehen, in Milde auch ihren Vorwürfen zuhören, bevor wir „unsere“ Wahrheiten verteidigen.
Die Kirche braucht keine Kreuzritter der Wahrheit, sondern Zeugen der Liebe.
Der Papst selbst hat geistig den Vatikan schon längst verlassen. Doch ich habe den Eindruck, dass sehr viele Katholiken (sowohl auf der konservativen als auch auf der progressiven Seite) diesen Umstand noch gar nicht mitbekommen haben. Sie kämpfen um die leeren Hallen des Vatikans. Papst Franziskus versucht auf seine Art, seinem Meister nachzufolgen. Und der war unnachgiebig, kompromisslos und hart, aber auch liberal, tolerant und zärtlich. Auch der Meister ließ sich nicht in Kategorien wie Konservativ oder Progressiv einteilen. Für die einen war er ein Ketzer, für die anderen war er ein Extremist. Für die einen sah es so aus, als hätte Jesus alles umgeschmissen, für die anderen sah es so aus, als würde er alles noch einmal verstärken. Es ist immer eine Sache der Perspektive. Gott lässt sich nicht einfangen, genauso wie sich die Wahrheit nicht einfangen lässt.
Die Kirche ist keine Burg, in der die Wahrheit geschützt werden müsste.
Die Kirche will zu den Menschen. Wir sollten die (geistigen) Mauern der Kirche niederreißen, damit der Heilige Geist endlich hinaus kann. Er ist kein Gefangener, den man wie einen Schatz hüten muss, sondern der Schatz, den man zu den Menschen tragen sollte.
Das Leben eines Katholiken sollte nicht aus Dogmen bestehen, die er zu befolgen hat, sondern aus Freiheit, mit der er zum Zeugen für Jesus wird.
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