Donnerstag, 30. August 2012

Das Debakel um die Allgemeine Wehrpflicht und die direkte Demokratie




Michael Spindelegger, Parteichef der ÖVP, ist ein armer Mann.
Nicht nur, dass er seinem Chef aus Niederösterreich alles nachplappern muss, was dieser befiehlt, gelingt ihm auch die Umstrukturierung seiner Partei nicht. Ja, wer hört den eigentlich noch auf ihn? Einmal wollte er die ÖVP verändern, ohne Erwin Pröll zu fragen. Doch nichts geht ohne den starken Mann aus Niederösterreich. Die Treuebezeugungen der ÖVP-Abgeordneten klingen allesamt so lächerlich und unehrlich, dass sie die mangelnde Autorität Spindeleggers nur unterstreichen.



Doch warum will Spindelegger unbedingt seine Partei restrukturieren? Spürt er, das der reiche Mann aus Kanada der ÖVP den Todesstoß geben könnte? Nachdem die Konservativen von der ÖVP abgewandert, und in nicht unbeträchtlichen Maße zu den Rechtsparteien hinüber gelaufen sind, könnten nun die Wirtschaftsliberalen Wähler der ÖVP den Rücken kehren. 



Doch Spindelegger hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nicht einmal der ORF kann verstecken, dass die Regierung zum Lastesel vor dem Karren des  Erwin Pröll (Landeshauptmann von Niederösterreich) und Michael Häupl (Landeshauptmann von Wien) geworden ist, die das Kommando geben.
Als Häupl aufgrund des Wiener Wahlkampfes befahl, die Allgemeine Wehrpflicht zu streichen, drehte sich sein Parteifreund  Norbert Darabos (SPÖ Verteidigungsminister) um 180 Grad und beendete hiermit seine „Steinmetzlehre“ (bis dahin war für ihn die Allgemeine Wehrpflicht in Stein gemeißelt). Seitdem kämpft er verbissen um ein Berufsheer, zum Teil mit Mitteln, die tief in die Abgründe der moralische Wertigkeitsvorstellung dieses Mannes blicken lassen.
Sollte die kommende Volksabstimmung, die auf Wunsch von Erwin Pröll abgehalten wird, zugunsten der Allgemeinen Wehrpflicht ausgehen, so ist das für den Verteidigungsminister, der mit aller Kraft dagegen kämpft, kein Grund, zurückzutreten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Ja, wenn seine Aussage diesbezüglich kein Grund für einen Misstrauensantrag darstellt, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Schließlich ist der Minister nicht direkt vom Volk gewählt und hätte damit bewiesen, dass er gegen den Willen des Volkes agiert und trotzdem wäre das kein Grund für ihn, die moralisch gebotenen Konsequenzen zu ziehen.
Doch nach dieser Aussage tut sich nichts. Die sonst so moralapostelartig zum Rücktritt auffordernden Grünen, die bei Schwarz/Blau/Orange ständig den Finger erheben, haben mit dieser Aussage überhaupt kein Problem.
Aber auch von ÖVP, FPÖ und BZÖ habe ich kein Wort der Empörung gehört.
Hier läuft ein Minister gegen die Demokratie Amok und doch reden alle von direkter Demokratie.
Apropos Volksbefragung: Wie kann es eigentlich sein, dass jetzt jede Hausfrau, jeder Zivilist, jeder Zivildiener, jeder Militärverweigerer - also jeder Bürger - der keine Ahnung von Landesverteidigung hat, darüber abstimmen soll, auf welche Art die Armee geführt werden soll? Schließlich wurde er ja auch nicht befragt, ob er dem ESM-Vertrag beitreten will, oder ob er Griechenland zum wiederholten Male retten will. Hier wurde einfach über seine Souveränität hinweggegangen - Hauptsache der Bürger zahlt die Rechnung. In Sachen Landesverteidigung, wo der Bürger im Normalfall gar keine Kompetenz hat, wird er aber dazu aufgerufen, seine Stimme abzugeben.
Hat Herr Pröll in Sachen ESM Vertrag geschlafen? Hätte er seine Marionette Spindelegger nicht schon da an die direkte Demokratie erinnern können? Ach nein, das interessiert Pröll alles nicht. Hier geht es ja um einen Kuhhandel zwischen seinem und Häupls Machtbereich. Die eine Hand wäscht die andere. Ob Spindelegger oder Darabos, alle müssen springen, wie diese zwei Herren wollen, und das Volk darf nicken und klatschen. Das nennt man direkte Demokratie in Österreich.
Die SPÖ benötigt ein Ablenkungsmanöver, das die Blicke vom Untersuchungsausschuss lenkt, wenn ihr Parteichef und Bundeskanzler zu peinlichen Fragen Stellung nehmen soll (Inseratenaffäre). Da verliert die SPÖ lieber eine Volksabstimmung zugunsten des Scheins einer direkten Demokratie.
Alles in Allem ist die österreichische Politiklandschaft ein solch dermaßen verlogene, korrumpierte und unfähige Gesellschaft, dass man - wenn man alle Skandale erwähnen möchte - mit dem Schreiben gar nicht mehr nachkommen würde.
Wenn Frank Stronach nach der kommenden Wahl tatsächlich zur innenpolitischen Relevanz aufsteigen würde, dann wäre das ein sichtbares Armutszeugnis für alle Parteien, weil es die Ausweglosigkeit der Bürger in diesem Land widerspiegelt, irgend ein vernünftiges Kreuzerl auf dem Stimmzettel machen zu können.

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