Freitag, 22. April 2011

Karfreitag



Wer die Karfreitags-Liturgie besucht, wird feststellen, dass dies ein ver-rückter Gottesdienst ist. Ohne Musik zieht der Klerus ein, der Priester legt sich auf den Boden und viele andere Rituale sollen die Bestürzung über den Tod Christi ausdrücken. Doch was ist so bestürzend? Jesus war ja nicht der Einzige, der auf solche Weise starb? Wir wissen, dass viele tausende Menschen so ums Leben gekommen sind.
Es ist der Grund, warum Jesus zu Tode verurteilt wurde, der uns Menschen bestürzen sollte.
Seit Palmsonntag wissen wir, dass Jesus unser König ist und doch ist er am Kreuz gestorben - nicht weil er etwas verbrochen hätte, sondern weil wir seine Botschaft nicht angenommen haben. Doch hier tun sich zwei Fragen auf.
Erstens: Wer ist „wir“ und zweitens: Welche Botschaft haben wir nicht angenommen?
Früher glaubten die Christen, dass die Juden Schuld an Jesu Tod hatten. Aus dieser Fehlinterpretation leiteten sich viele Judenverfolgungen in Europa ab. Heute wissen wir, dass nicht die Juden schuld an Jesu Tod sind. Doch wer ist dann schuld?
Gehen wir in der jüdisch/christlichen Mythologie zurück. Als Adam und Eva von der verbotenen Frucht aßen, übertraten sie das Gesetz Gottes. Adam und Eva sind aber nicht die ersten Menschen, sondern sie stehen als Symbol für uns. Wir übertreten das Gesetz Gottes. Würden wir das nicht machen, würden wir wahrscheinlich in einem paradies-ähnlichen Zustand leben. Die Beziehung Gott-Mensch ist also eine asymmetrische. Gott hat ein Verlangen nach dem Menschen. Gott will den Menschen. Er will auch seine Aufmerksamkeit und seine Hingabe. Er will eine Gemeinschaft mit den Menschen. Doch der Mensch ist anders. Er liebt sich selbst mehr als seinen Gott. Die eigenen Bedürfnisse sind den Menschen wichtiger, als die Gemeinschaft mit Gott. Der Mensch sucht sein Glück woanders als bei Gott. Darum geht Gott den Menschen nach. Er rief Propheten in seinen Dienst, die die Menschen zur Umkehr aufriefen. Doch das half alles nichts. Immer wieder fielen die Menschen von Gott ab und immer wieder waren dem Menschen die eigenen egoistischen Bedürfnisse wichtiger, als aus der Kraft Gottes zu leben. Doch Gott hat scheinbar einen „Narren an uns Menschen gefressen“. Er sendete seinen eigenen Sohn (= sich selbst) und wurde Mensch. Seine Botschaft war wirklich neu. Er verkündete einen liebevollen Gott voller Erbarmen und Nachsicht, der unsere Sünden verzeiht. Der immer wieder einen Neuanfang schenkt und nichts lieber sehen will, als uns glücklich mit ihm vereint. Das passte aber vielen Menschen überhaupt nicht. Vor allem nicht der damaligen jüdischen Elite (Sadduzäer). Diese wollten, dass man die Vergebung der Sünden nur durch den Tempelkult erreicht (der ihre Taschen füllte). Sie erhöhten den Druck auf Jesus, doch dieser gab nicht nach. So suchten sie nach einem Grund, Jesus aus dem Weg zu räumen. Jesus hat keiner Menschenseele etwas zu Leide getan. Seine Botschaft gab (und gibt) den Menschen Trost und Mut. Er heilte, tröstete, gab Zuversicht und Gottvertrauen, weckte Tote auf und trieb Dämonen aus. Ging zu den Ausgestoßenen und Verhassten und aß mit jenen, die von anderen als unrein (nicht würdig) bezeichnet wurden. Dafür musste Jesus sterben. Weil er (als Sohn Gottes) die Menschen liebte.

Es ist also unsere Sünde, die uns einflüsterte, Jesus lieber zu töten, als ihm zu glauben, denn sonst müssten wir unser Leben ändern. Oft fragen Menschen, warum lässt Gott so viel Leid zu? Man kann auf diese Frage nur auf das Kreuz verweisen. Gott lässt auch das Leid zu, das wir ihm antun. Gott schont sich selbst nicht, wenn es darum geht, uns zu beweisen, dass er uns liebt. Er blieb seiner Botschaft vom liebenden Gott treu, auch als wir ihn verspotteten und ihn verhöhnten, ja, auch als wir ihn töteten. Genauso wie Adam ein Symbol für die ganze Menschheit ist, so ist auch das jüdische Volk ein Symbol für die ganze Menschheit. 

Am Karfreitag sind die Christen erschüttert, dass es unsere eigene Sünde war, die Jesus ans Kreuz gebracht hat und die Tatsache, dass er uns unsere Ignoranz und unseren Egoismus verzeiht.


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