Montag, 1. August 2011

Linkspopulismus im Wiener Stephansdom

Da sitze ich in der Sonntagabendmesse im Wiener Stephansdom und muss mir von einem Priester erklären lassen, wie die politische Welt in Europa funktioniert. Anlässlich der Attentate in Oslo fühlte sich der Priester (ich habe leider seinen Namen nicht mehr in Erinnerung, sonst müsste ich ihm schreiben) bemüßigt, das Evangelium von der Brotvermehrung für 4000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen dazu zu verwenden, uns gegen Rechtspopulisten al á  FPÖ zu warnen. Wie das geht?
 
Das Wort Gottes ist unsere geistige/geistliche Nahrung. Durch das Wort Gottes wird den Menschen Heil und Versöhnung geschenkt. Jesus sagt zu den Jüngern: „Gebt ihr ihnen zu essen“. Jesus hatte Mitleid mit den vielen Menschen, die ihm in die Einsamkeit gefolgt sind, und weil er Mitleid hatte, beauftragte er seine Jünger, für die anderen Menschen Nahrung zu sein (im Übertragenen Sinn natürlich) bzw. ihnen Nahrung zu geben.
So weit so gut.
Nach circa 10 Minuten fängt der Priester plötzlich damit an, dass er nicht umhin kann, über das Attentat in Norwegen zu sprechen, und dass es eine sehr ungesunde Nahrung gewesen sein muss, die der Attentäter in diversen rechtspopulistischen Parteien zu sich genommen habe (das war der Kontext zum Evangelium).
 
Die Tatsache, dass die norwegische Fortschrittspartei dem Attentäter zu wenig rechts war und er sie deswegen wieder verlassen hat,  hat er stillschweigend ignoriert.
Ach wie böse sind doch diese rechtspopulistischen Vereinfachungen gegenüber dem armen Islam, hat der Priester gepoltert, und gar nicht gemerkt, wie primitiv seine linkspopulistischen Vereinfachungen (jede Islamkritik wäre rechtspopulistisch) eigentlich waren.
 
So fragte er tatsächlich, ob wir wirklich Angst vor einer Burkaträgerin hätten und ob wir uns wirklich von ihr bedroht fühlen würden. Wie gerne wäre ich aufgestanden und hätte ins Mikrofon geantwortet, „Ja, ich fühle mich und meine Kinder bedroht von schwarzen Gestalten, von denen man nichts weiß, außer, dass man sie nicht anreden darf. Ja, ich habe Angst um unsere Frauen, dass sie als Huren angesehen werden, weil sie kein Kopftuch tragen. Ja, ich habe Angst vor einer Pornographisierung der Frau, indem man sie verhüllt wie eine Ware." Dabei spielt es keine Rolle, ob sie freiwillig diese Burka trägt oder nicht. Es ist nicht für sie eine Zumutung, sondern es ist eine Zumutung für eine freie, demokratische und humane Gesellschaft. Wenn mir meine Religion gebieten würde, nackt zu gehen, dürfte ich mich auch nicht an diese Regel halten, sondern es würde ein öffentliches Ärgernis darstellen, weil es sittenwidrig wäre. Warum ist das Tragen einer Burka nicht sittenwidrig? Es stellt für viele Menschen genauso ein Ärgernis dar, als würde man nackt gehen. Die Religionsfreiheit kann doch nicht Feigenblatt für alles sein. Es ist in Europa schon immer Sitte gewesen, dass es einer Frau würdig ist, ihr ins Gesicht sehen zu können. Also ist das verhüllen der Frau sittenwidrig.
 
Zurück zur erhellenden Predigt im Stephansdom. Ja, man solle sich gut überlegen, an welche Partei man seine Stimme verschenkt, und man solle ja darauf aufpassen, dass es nicht jene sind, die mit rechtspopulistischen Vereinfachungen arbeiten. Man konnte richtig hören, dass er sich zurückhalten musste, um nicht namentlich vor der FPÖ zu warnen.
Da diese Predigt eine so linkspopulistische Brandrede mit einem Tiefgang eines Steppensees war, wunderte es mich richtig, dass der Priester keine Wahlempfehlung für SPÖ und Grün ausgegeben hatte. Jedenfalls hat es gezeigt, dass starke Vereinfachungen und Volksvertrottelung keineswegs vor der Pforte der Kirche halt machen.

5 Kommentare:

  1. Erinnert mich irgendwie an das Bonmot von jenem Pfarrer, der gerne über den hl. Aloisius predigte und dessen Weihnachtspredigt deswegen so begann: "Liebe Christen! Heute sehen wir das Jesuskind in der Krippe. Und das sehen wir in diesen Tagen oft. Ich habe aber neulich eine Darstellung gesehen, da hielt der hl. Aloisius das Jesuskind in seinen Armen. Der heilige Aloisius, liebe Christen, war ..."

    Im Ernst: Ob sich der Priester im Stephansdom wohl auch so dezidiert äußert, wenn es um das Verhältnis diverser Parteien zur Abtreibung geht ...?

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  2. @pro spe salutis: das wäre aber auch ein wesentlich schwieriger link, da das Verhältnis dieser Parteien zu diesem gesellschaftlich etablierten Grauen nur leichte differenzierte Nuancen hat- in Österreich zumindest.

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  3. Tja, ein politisch absolut korrekter Priester. Vielleicht auch homophil, mit Partner, und so.

    Zum Thema "politisch rechts/links":

    Diese Einteilung stammt aus der Zeit der Dampfmaschine und hatte damals ihre Berechtigung. Aber Leute, wir leben im 21. Jahrhundert! Das weltweit, aber auch in Europa, zunehmend von Strömungen wie dem Islam und Staatsformen wie der chinesischen gekennzeichnet ist.

    Sagt doch mal, ist der Islam „links“ oder „rechts“? (Stellung der Frau ... andererseits aber Solidarisierung der sog. Grünen mit dem Islam ...)

    Ist China, bzw. das chinesische Regime, eher links oder eher rechts?
    Oder erinnert euch an den Vietcong. Kommunisten? Naja. Fast keiner von denen hatte Marx oder Lenin gelesen. Auch wer, mit Glück, lesen konnte, hatte keine Zeit dazu. Aber, was jeder Vietcong-Kämpfer verstand und wofür er bis zum Tod kämpfte, war: (Westliche) Ausländer (insbesondere Franzosen und Amerikaner) raus! Schon mal bedacht, daß die DRV (Demokratische Republik Vietnam) eigentlich ein national-sozialistischer Staat war und bis heute ist?

    Ich weiß, man fährt gern auf alten Denk-Geleisen.
    Aber der Versuch, die Tatsachen und Kräfte des 21. Jahrhunderts in „links“ oder „rechts“ einteilen zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Telekommunikationssatelliten mittels Dampfmaschine in die Erdumlaufbahn befördern zu wollen.
    MfG Nescio

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  4. @Anonym:
    Also das der Priester homophil war, möchte ich ihm nicht gleich unterstellen.
    Ansonsten: Der Islam ist eine ziemlich rechte Ideologie, und ganz links außen findet sich ein genauso menschenverachtendes System wie ganz rechts außen. Also bleibt es dabei, das China, Lenin, die Sowjetunion usw. linke Systeme waren/sind.
    Auch der Nationalsozialismus hat seinen Namen nicht von ungefähr. Nur war er eben National und Rassistisch obendrein. Die Arbeitsplatzpolitik der Nazis war doch ziemlich sozialistisch.
    Ich sage auch nicht, dass links böse und rechts gut ist, aber ich behaupte einmal, dass rechts nicht böse ist, bzw. dass die linke Ideologie mindestens genauso viel Dreck am Stecken hat.

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  5. Grübler, als ich dein Nutzerprofil las, kam mir der alte Spruch in den Sinn: „Wer mit 20 Jahren nicht Sozialist ist, der hat kein Herz. Wer aber mit 40 noch immer an den Sozialismus glaubt, der hat kein Hirn …“
    Ich merke, daß auch dir schon „Ungereimtheiten“ im links/rechts – Schema aufgefallen sind. Zum Beispiel, daß unter den Sozialisten die schlimmsten Rassisten zu finden sind. Nimm den sozialistischen ANC, dessen halboffizielle Hymne „Kill the boer, kill the (white) farmer!“ lautet. Kann man es noch deutlicher Ausdrücken? Wohl nicht. Aber die Welt, genauer gesagt die veröffentlichte Meinung, sieht weg. Und nachher will wieder einmal niemand was gemerkt haben.
    LG Nescio

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