Mittwoch, 12. Oktober 2011

Das Profil der ÖVP

Unter der Leitung von Ex-Parteiobmann Josef Pröll konnte man die ÖVP durchaus als eine Linkspartei bezeichnen. Zum Glück ist diese Ära vorzeitig zu Ende gegangen. Doch wie sieht der aktuelle Zustand der ÖVP aus?
 
Bezeichnend war in der jüngsten Zeit, dass die ÖVP erst reagiert, wenn der Landeskaiser aus Niederösterreich Erwin Pröll etwas sagt. Solange der Parteiobmann Michael Spindelegger über eine Vermögensabgabe sprach, schenkte kein ÖVP Mandatar dem Vorschlag viel Gehör. Doch als Erwin Pröll diesen Vorschlag bekräftigte, begannen plötzlich so einige eifrig zu nicken. Daran kann man sehr gut erkennen, wer sagt, wo es in der ÖVP langgeht. Nicht Spindelegger ist Chef der ÖVP, sondern Erwin Pröll hat die Macht. Leider erkennt man daran, dass in der ÖVP viele Parteisoldaten sitzen, die auf Wunsch applaudieren bzw. schimpfen, aber keine eigene Meinung haben bzw. sich diese nicht zu sagen trauen, weil sie von oben einen Dämpfer kriegen könnten. Wir alle wissen, dass das in der SPÖ nicht anders ist. Wiens Bürgermeister Häupl muss nur räuspern, damit die SPÖ-Minister nervös werden (sehr deutlich wurde dies beim Verteidigungsminister Darabos bei der Abschaffung der Wehrpflichtsdebatte).
So ist Österreich wohl das einzige europäische Land, in dem sich zwei Bundesländer (Wien und Niederösterreich) eine Bundesregierung halten und vor sich hertreiben. Schon allein das wäre ein Grund, den „Groß“-Parteien den Rücken zu kehren, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich aus der Umklammerung der grauen Eminenzen aus den Bundesländer zu befreien.
 
Doch wie sieht es mit der Ministermanschaft der ÖVP generell aus?
Fangen wir mit der erfreulichsten Erscheinung der ÖVP Ministerriege an.
 
Karl Heinz Töchterle ist als Wissenschaftsminister zur Abwechslung einmal ein Minister, der auch vom Fach ist und dem man durchaus glauben kann, dass er sich wirklich um Lösungen in seinem Ressort bemüht. Leider scheitert er regelmäßig an der ideologischen Verkorkstheit der SPÖ.
 
Maria Fekter ist was sie ist, und das in jedem Ressort. Ihrer Rolle als „Eiserne Lady“ wird sie überall gerecht, doch war sie als Innenministerin wesentlich authentischer als in ihrer derzeitigen Rolle als Finanzministerin. Dabei verzeihe ich ihr durchaus fehl platzierte Aussagen, wie ihre Warnung, dass die Banker die neuen Juden werden könnten, die als Sündenböcke des Mobs herhalten müssten. Damit macht sich Frau Fekter zwar selbst lächerlich, aber ich würde deswegen nicht ihren Rücktritt fordern. Ich bin ja kein Grüner.
Ihre Haltung zur Eindämmung der Frühpensionen ist zu unterstützen. Vor allem, dass sie keinen Kniefall vor der Hacklerregelung macht und die Idiotie des Bonus Malus Systems für Frühpensionisten beim Namen nennt, ist ihr hoch anzurechnen.
 
Sebastian Kurz, seines Zeichen Integrationsstaatsekretär, macht in Sachen Integration seltsame Beobachtungen. Als sein ÖVP Parteikollege Fritz Grillitsch (Bauernbund) meinte, dass Migranten, die sich nach fünf Jahren wirtschaftlich nicht integriert hätten, schrittweise die Mindestsicherung zu streichen wäre, meinte Sebastian Kurz, dass es so etwas ja gar nicht gäbe. Berufsbedingte Realitätsverweigerung nennt man so etwas, und das ist auch mit seinem jugendlichen Alter nicht zu entschuldigen. Vielleicht sollte er doch erst mal fertig studieren und selbst arbeiten.
 
Als Reinhold Mitterlehner den Tankstellen die ständigen Preis rauf - Preis runter Kapriolen verbot, stieg er kurzzeitig in meiner Achtung. Doch dass er den Druck der Tankstellen schon bald nachgab und ihnen erlaubte, einmal am Tag die Benzinpreise anzuheben, machte diesen Lichtblick gleich wieder zunichte.
 
Ohne jetzt jeden Minister einzeln beleuchten zu wollen, muss ich sagen, dass ich die ÖVP zumindest nicht samt und sonders zum Teufel jagen würde. Doch wenn die ÖVP überleben will, muss sie sich dringend von ihren Bünden emanzipieren. Egal ob Bauernbund, Industriellenvereinigung, Wirtschaftbund, Arbeiter und Angestelltenbund, Akademikerbund, Cartellverband und nicht zuletzt den Ländern. Sie alle machen die ÖVP handlungsunfähig und lassen diese vergessen, dass die ÖVP nicht ihnen zur Verantwortung verpflichtet ist, sondern den Bürgern.

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